Samstag, 16. Mai 2015

Warum, zum Teufel, „Fearlessness“?

Das frage ich mich manchmal selber, immer noch, obwohl ich die Antwort langsam eigentlich in- und auswendig kennen müsste: Ich konnte noch nie ernsthaft behaupten, dass meine kreativen Erzeugnisse nichts über mich verraten oder nichts mit mir zu tun haben. Nur das Ausmaß dessen, wie viel sie eigentlich mit mir zu tun haben, ist mir oft erst im Nachhinein so wirklich bewusst geworden. Was unter Umständen manchmal mit einem regelrechten Schock einher ging... Wie es mein Unterbewusstsein schafft, Dinge aufs Papier zu bringen, die in meinem Bewusstsein noch gar nicht angekommen sind, finde ich auch heute noch immer mal wieder ziemlich schockierend.
In Bezug auf „Fearlessness“ ist es aber nicht so schwer, zu erkennen, was genau das ganze Projekt mit mir zu tun hat. Die letzten zwölf Monate haben mich in extremem Maße mit meinen eigenen Ängsten konfrontiert. Mir ist es im letzten Sommer gelungen, ein Tor zu meinem Unterbewusstsein zu öffnen, hinter dem mich dann erst Mal ein kleiner, großer Albtraum erwartet hat.
Zum Einen hatte ich im letzten Jahr wirklich mehr Albträume als je zuvor in meinem Leben. Zum anderen wurde aber auch die Tagsüber-Welt immer unsicherer, hat sich immer mehr meinen Traumwelten angenähert, die Realität wurde immer surrealer. Es gab Phasen, in denen mein Zeitgefühl komplett ausgesetzt hat. Der gestrige Tag war komplett ausradiert, dafür waren Erinnerungen ganz klar aus einer Zeit, in der ich sechzehn war oder sogar sechs. Ich kann mir jetzt annähernd vorstellen, wie beängstigend es sich anfühlen muss, dement zu werden.
Und ja, ich selber hatte auch ziemlich viel Angst. Ich habe lange nicht verstanden (und vieles ist auch bis heute noch schleierhaft und mysteriös geblieben), was mit mir eigentlich passiert. Ich habe zunehmend die Kontrolle über meine inneren Prozesse verloren, mein Geist hat sich irgendwie verselbständigt, ohne mich in seine Pläne einzuweihen. Ich war einfach „anderswo“. Und hatte ständig Angst, dass die Sicherung irgendwann ganz durchbrennt und ich komplett den Verstand verliere (was auch immer das genau heißt, ich sehe „Verrückte“ inzwischen auch ein bisschen anders als vor meinem eigenen Fast- oder Ein-Bisschen-Verrückt-Werden).
Und im Grunde habe ich also das ganze letzte Jahr damit verbracht, darum zu kämpfen, wieder so „furchtlos“ zu werden, wie ich mir einbilde, dass ich es einmal war. Trotz allem. Trotz dem Unaussprechbarem und Unerklärbarem.
Deshalb „Fearlessness“.
Ein weiterer Grund, warum ich mein CD-Projekt „Fearlessness“ genannt habe, ist etwas banaler. Tori Amos lässt ihren gleichnamigen Song mit der Zeile enden „What were once two forces joined in Fearlessness“. Ich habe die Zeile aufgegriffen und in folgender Form an den Anfang von „Parts of me“, Song Nummer vier auf meinem Album gestellt: „Two forces joined in Fearlessness, now separated by fear“.
Darüber, was Angst in unseren Beziehungen, anrichtet, habe ich schon mehrmals geschrieben. Es ist auch immer noch ein persönliches Thema für mich und wurde deshalb auch eines, wenn nicht das, Kernelement in der „Fearlessness“-Story.
Auch deshalb „Fearlessness“.
Eine weitere Angst, die ich für „Fearlessness“ überwinden musste, hat damit zu tun, dass ich als mein eigentliches Medium die Sprache ansehe. Das Schreiben geht mir im wahrsten Sinne des Wortes leicht von der Hand. Das Wort ist eine Sprache, die ich, glaube ich zumindest, einigermaßen fließend spreche, Musik hingegen...?!
Der traurige Aspekt daran, dass ich seit so vielen Jahren schreibe, ist (neben vielen anderen schöneren und freudigeren Aspekten) der, dass ich im Prinzip auch seit Jahren gegen mein eigenes Verstummen anschreibe. Gegen die Stimmen in mir, die mir nicht erlauben wollen, mich so auszudrücken, wie es mir entspricht. Gegen meine angelernte Selbstzensur. Gerade im letzten Jahr hat sich aber ein Schweigen in mir ausgebreitet, das so viel größer und bedrohlicher war, dass es die Musik brauchte, um die Worte zurück zu bringen.
Erst in der Verbindung mit Melodien und Rhythmen konnte ich Worte finden, die sich dem Unaussprechbaren annäherten. Worte allein wären durch meine Schweigemauern nicht hindurch gekommen, sondern wären in der Sprachlosigkeit der Extremerfahrung, in der ich gefangen war, hängen geblieben. Worte allein hätten also diesmal nicht gereicht.
Was mich wiederum gezwungen hat, mich meinen Ängsten und Unsicherheiten zum Thema Musik zu stellen. Der Aufnahmeprozess von „Fearlessness“ war extrem chaotisch. Im Grunde wurde alles innerhalb einer Woche aufgenommen, in der ich mich auf dem Land eingesperrt hatte. Einen Großteil der Lieder habe ich nie richtig eingeübt, sondern einfach spontan irgendwie gesungen. Und noch dazu war ich in der Aufnahmewoche (im November) ziemlich erkältet.
Vernünftig“ und „professionell“ war das Ganze also nicht und ja, es gibt auch einige Fehler auf dem Album, über die ich mich im Nachhinein ärgere. Gleichzeitig weiß ich aber, dass „Fearlessness“ genauso entstehen musste, weil es sonst gar nicht entstanden wäre. Es musste ein „Herausbrechen“ sein, es musste schnell gehen, sonst hätte ich meine eigenen Ängste und Unsicherheiten und das Schweigen überhaupt nicht durchbrochen. Und beim zweiten ähnlichen Projekt werde ich schon viel sicherer und gelassener sein und beim dritten erst recht ;-) 
Natürlich gab es einige Menschen, die mir dabei geholfen haben, diese verhängnisvolle Tür zu meinem Unterbewusstsein zu öffnen und die Dinge dahinter zu entfesseln. Und ich nähere mich dem Punkt, an dem ich ihnen dafür dankbar sein werde. Ein bisschen Zeit braucht es vielleicht noch...
Und natürlich gab es auch viele Menschen, die mir durch diese Extremkonfrontation mit meinen eigenen Ängsten hindurch geholfen haben. Auch wenn ein beschissener Nebeneffekt meiner Sprachlosigkeit in Bezug auf meine Erlebnisse war, dass ich mich auch die meiste Zeit beschissen allein gefühlt habe. Ich weiß aber, dass ich das definitiv nicht war, sondern mir so viele verschiedene Menschen auf so viele verschiedene Arten geholfen haben.
Ich hoffe, dass ich eurer Hilfe, eurem Vertrauen und eurer Geduld, die ihr mir gegeben habt, gerecht werde und mich wieder vollkommen hinkriege ;-) Und es schaffe, diese krasse Zeit in etwas Positives zu transformieren.
Was ich auch weiß, ist, dass ich im letzten Jahr durchgehend nicht gerade my best self war... Ich habe andere zu Unrecht mit in mein Drama hinein gezogen und mit meinen Emotionen überlastet und überfrachtet. Bei ihnen möchte ich mich entschuldigen und um Verständnis bitten. Ich habe es wirklich versucht, so still wie möglich zu leiden... und besser habe ich es einfach nicht hinbekommen.
Was die Danksagungen angeht, gibt es für „Fearlessness“ natürlich auch eine Reihe von Helfern, die das Projekt überhaupt erst in der Form ermöglicht haben... Allen voran Jason Shaw, ohne den es die wundervolle Musik, die mir die Worte wieder gegeben hat, nicht geben würde. Ein großes Danke auch an Jonas Rossner fürs Mischen meiner Aufnahmen (trotz sowieso schon zu viel Arbeit ;-)). Und ein fettes Danke auch an mein Schwesterherz Lia, die für das Cover verantwortlich ist.
Inwieweit das Cover die Story von „Fearlessness“ versinnbildlicht, erkläre ich mal in einem anderen Blog oder Video (habe ich gerade beschlossen)...
Die komplette Geschichte wird hier erzählt: https://www.youtube.com/watch?v=9i1Jvz9BhvY (Englisch)


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