Freitag, 19. Juni 2015

Nächtlicher Monsterbesuch

Ein Monsterchen lugt ganz nah neben mir über die Bettkante und hat mich ziemlich erschreckt. Und doch war das Grausen diesmal schwach genug. Sodass ich vertrauen konnte. Trotz der großen gelben blutunterlaufenen Augen und der spitzen kleinen Zähne. Es durfte mich bei der Hand nehmen. Und dann hat es sich vorgestellt.
Es ist der Teil, der immer Licht saugt. Das Licht in anderen. Mit einem spitzen Finger bohrt es danach, braucht die Vergewisserung, dass es im anderen auch wirklich da ist. Dass es im anderen noch brennt. Zu groß die Verunsicherung, in welchem Zustand das eigene ist.
Während ich meinem Monsterchen lausche, merke ich, dass es trotz seiner fahlen grauen Haut und den dünnen, strähnigen Haaren nur ein argloses Kind ist. Es ist klein und nimmt mich jetzt mit sich herum. In mein Monstermuseum. Die Bibliothek meiner inneren Schrecken.
Mein Monsterchen führt mich. Trotz dünner, stelziger Beine fast anmutig tänzelnd. Ein eigenartiges Wesen, das ich nicht mehr fürchten mag.
Es zeigt mir den Teil, der immer aufrüttelt, aufrührt. Der die Schatten hoch jagt. Und das war wichtig. Der den Puls treibt und Ruhe verhindert. Ich entferne die große, schwere Kriegstrommel, auf die er solange gehämmert hat. Zu meinem Schutz. Ab sofort darf er Xylophon spielen.
Mein Monsterchen erinnert mich an den schwarzen Ring um mein Herz und wir sehen die Herzfresserin. Ganz in schwarzer Trauerkleidung. Ihr wachsen grausame Zähne. Und dann spuckt sie mir drei verkohlte Herzen auf den Tisch. Ich kann sie gerade so ertragen. Ihr eigenes Herz ist das Buch ihrer Schmerzen. Das Papier ist dünn, fällt schon auseinander, auf den Seiten gar keine Schrift mehr, schon verblichen. Zu lange her.
Sie braucht noch Zeit. Wir geben ihr einen goldenen Umhang. Sie atmet endlich einmal aus, als er ihre Schultern berührt. Als die goldene Kapuze ihr schwarzes Haar einhüllt, schaut sie sogar fast dankbar auf.
Sie kennen mich sehr gut, meine Monster. Und auch sich selbst. Sie sagen mir, meine Stärke, die mich immer wieder gerettet hat, obwohl sie mich gebissen und gekratzt haben, all die lange Zeit, sei meine Hoffnung. Und mit ihnen gemeinsam sehe ich das helle, grüne Licht an. Moosgrün. Es wächst in alle Richtungen.
Nur nicht in eine. Da sitzt ein unbeweglicher Moder-Pilz. Einen anderen Namen sagt er mir nicht. Er heißt nur Moder-Pilz und will modern. Sein Frühling kommt vielleicht noch.
Ich treffe auch ein altes Monster, das mittlerweile schon fast nicht mehr monströs zu nennen ist. Die schwarz-weiße Schachbestie bewegt sich jetzt elegant und lächelnd. Sie ist ganz freundlich, kein Hass mehr, die Sonne berührt sie wohlwollend, in den Schatten wird sie nicht dunkel. Sie erklärt mir ein wenig, nicht viel. Sie weiß, dass wir schon fast vertraute Freundinnen sind.
Und ich bin froh, dass es noch dunkel ist. Dass ich das Licht ausgelassen habe, das meine Monsterchen sonst immer weg leuchtet. 


 

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