Jenseits
der Angst sind goldene Bäume gepflanzt...
Zwei
Gedanken habe ich im letzten Post schon angerissen, auf die ich heute
nochmal näher eingehen will. Zum Einen, dass die Angst vor Trennung
eigentlich das ist, was mich dann erst wirklich trennt und aus der
Verbundenheit heraus reißt, die nämlich eigentlich immer da ist.
Und zum Anderen, dass ich immer in ganz, ganz vielen Beziehungen bin
und gar nicht ohne Beziehung sein kann.
Irgendwie
geht es hier ja auch viel um Beziehung... natürlich! Beziehungen
sind nämlich eines meiner Lieblingsthemen und mit Sicherheit das
Thema, über das ich seit jeher am meisten nachdenke. Jetzt bin ich
natürlich nicht seit zwanzig Jahren glücklich verheiratet und so
gesehen also keine qualifizierte Eheberaterin. Zwanzig Jahre
glücklich verheiratet zu sein, ist aber auch gar nicht mehr mein
persönliches Ziel.
Es
gab aber eine Zeit, in der das mein Ziel war, und in der ich auch
dachte: Wenn ich mit 50 nicht glücklich verheiratet bin und
mindestens drei Kinder habe, dann fehlt irgendwas in meinem Leben,
dann hab ich nicht genug Liebe in meinem Leben, nicht genug
Beziehungen, um glücklich sein zu können. Und ich hatte auch
wirklich Angst oder eigentlich sogar Panik: was, wenn ich dieses Ziel
nicht erreiche? Was, wenn ich ohne diese für mich so wichtigen
Beziehungen bin?
Und
diese Angst ist aber inzwischen zum Glück komplett weg. Inzwischen
weiß ich, dass ich, egal ob ich mit 50 glücklich verheiratet bin
und eine Großfamilie habe oder eine „allein stehende“ Singlefrau
bin oder in einer Kommune lebe, erfüllende Beziehungen haben kann
und haben werde. Weil ich eben nie ohne Beziehung bin. Ich kann gar
nicht ohne Beziehung sein.
Ich
kann mich natürlich getrennt und allein und isoliert fühlen und
anscheinend ist das auch ein Blickwinkel, den wir – zumindest hier
in Europa – auch besser beherrschen als den, der uns Verbundenheit
zeigt. Mir ging es zumindest so, dass ich eine Zeit lang (eine
ziemlich lange Zeit) mein Gefühl für Verbundenheit komplett
verloren hatte.
Inzwischen
ist es eher so, dass ich mich ernsthaft frage, ob man sich überhaupt
von irgendjemandem oder irgendetwas „trennen“ kann. Ob man
Beziehungen wirklich beenden kann.
Und
die meisten Paare, die sich trennen, machen das auch ganz wundervoll
vor... Wenn ich mir die meisten geschiedenen Ehepaare so anschaue,
die angeblich ihre Beziehung zueinander beendet haben, dann denke ich
mir meistens: Naja, Leute, ihr habt eigentlich sogar eine ziemlich
intensive Beziehung in meinen Augen, nämlich eine intensive Wut-
oder Hass- oder Kampfbeziehung... aber ihr seid jedenfalls absolut
bezogen aufeinander.
Und
so gesehen habe ich dann wirklich mit jedem Menschen, der ab und an
in meinem Kopf auftaucht, eine Beziehung, auch wenn der Mensch seit
zehn Jahren in Alaska wohnt und ich ihn seitdem nicht mehr gesehen
habe. Ich habe eine Beziehung mit der Luft, die ich atme, und auch
mit den Leuten, an denen ich auf der Straße vorbei laufe.
Ich
bin auch der Meinung, dass, wenn sich 100 Leute in einem Raum
befinden, alle diese 100 Leute miteinander reden, auch wenn sie das
nicht tatsächlich verbal tun. Aber ich bin absolut überzeugt davon,
dass wir alle viel, viel feiner kommunizieren, als wir bewusst
wahrnehmen. Und dass wir über Energien und Schwingungen eigentlich
die ganze Zeit miteinander quasseln und ganz viel Kontakt und
Austausch zwischen uns allen passiert, den wir oft einfach nur nicht
mitbekommen. Inzwischen hat sich meine Wahrnehmung auch so
verfeinert, dass ich zumindest bei Menschen, die mir sehr nah sind,
oft vorher weiß, wann ich ihnen auf der Straße begegne, weil ich
einfach merke, dass sie schon vorher Kontakt aufnehmen. Also ich höre
quasi das Klingeln an der Tür, bevor sie dann vor mir stehen. Oder
ein bisschen ist das auch wie ein Chatfenster und ich sehe und spüre
einfach, wer gerade online ist, bevor die Person mich dann
anschreibt. So würde ich das beschreiben.
Deshalb
glaube ich auch, dass der Satz „Ich habe keine Beziehung zu so und
so“ eigentlich entweder umformuliert werden müsste zu „Ich habe
eine unpersönliche Beziehung zu so und so“ oder sogar eher noch
„Ich bin mir nicht bewusst darüber, dass ich eine und was für
eine Beziehung ich zu so und so habe“. Aus meiner heutigen Sicht
ist nämlich einfach wirklich alles auch Beziehung und ich
kann das auch in der Natur und auf so vielen Ebenen immer wieder
beobachten. Aber diesen Blick, der Verbundenheit sieht und nicht
Trennung und der die feinen Verbindungs- und Kontaktlinien wahrnimmt,
die mich mit allem um mich herum vernetzen, den musste ich wirklich
erst wieder lernen.
Obwohl
ich ja immer verbunden sein wollte. Und die Angst vor Trennung ja
gerade meine schlimmste Angst war, wie bei wahrscheinlich vielen von
uns. Die Angst vor Trennung setzt aber eben dummerweise schon den
Glauben voraus, dass ich überhaupt getrennt sein kann. Also in dem
Augenblick, in dem ich Angst davor habe, getrennt zu sein, verlassen
oder verletzt zu werden oder jemanden zu verlieren, da habe ich das
Bewusstsein dafür, dass ich ja sowieso immer verbunden bin,
eigentlich schon verloren. Wenn ich sozusagen den Angstakkord
spiele, dann können dazu keine Verbundenheits- oder Liebestöne
erklingen, die passen da einfach nicht dazu, das ist eine ganz andere
Harmonie, eine ganz andere Schwingung.
Und
wenn gerade Angst in mir schwingt, dann schwingt da nicht
gleichzeitig Verbundenheit oder Liebe. In spirituellen Kreisen würde
man auch sagen, dass Angst eine niedrig schwingende Energie ist.
Deswegen fühlt sich Angst als Gefühl auch nicht gerade gut an.
Liebe wirklich als Gefühl fühlt sich meiner Meinung nach immer gut
an. Unglückliche Liebe gibt’s für mich inzwischen nicht mehr.
Unglückliche Beziehungen schon, aber nicht unglückliche Liebe. Wenn
ich in meiner Liebesbeziehung gerade unglücklich bin, dann
wahrscheinlich, weil ich gerade Angst fühle oder Trauer oder Wut
oder Schmerz. Aber wenn ich Liebe fühle, dann ist das einfach immer
ein ziemlich genialer Gefühlszustand.
Ein
Beispiel, das es vielleicht ein bisschen verdeutlicht, ist Angst um
jemanden. Angst um jemanden zu haben, den man liebt, kommt uns normal
vor und ist es wahrscheinlich auch. Trotzdem sind es zwei
verschiedene Gefühle und wenn das eine da ist, kommt das andere
nicht mehr richtig durch. Zumindest habe ich es noch nie geschafft,
gleichzeitig die Angst oder die Sorge um jemanden zu fühlen und die
maßlose Freude und Begeisterung darüber, wie wundervoll dieser
jemand ist. Und ob ich jemanden mit einem sorgenvollen oder
liebevollen Blick anschaue, ist auch ein ziemlicher Unterschied. Da
kommt auch beim anderen was ganz anderes an, da schwingt was ganz
anderes zwischen uns.
Und
das Eine kann nur frei fließen, wenn es nicht vom anderen überlagert
wird. Ich kann nur in der Verbundenheit sein, wenn mich nicht meine
Angst, meine Wut, was auch immer, da wieder raus reißen. Und Liebe
als Gefühl ist für mich auch nur spürbar und erlebbar, wenn gerade
kein anderes Gefühl da ist, dass irgendwie dominanter ist. Das
heißt nicht, dass ich den Menschen, um den ich Angst habe, nicht
wirklich liebe, aber wenn ich die Angst spüre, dann spüre ich die
Angst und nicht die Liebe.
Ein
Bild, das ich immer gern verwende, um das Problem mit der Angst zu
beschreiben, ist, dass die Angst wie ein Fluss ist, der immer trennt.
Angst reißt immer irgendwas auf und irgendwas auseinander, Angst ist
immer ein „Zwischen“. Und demgegenüber würde dann das Meer aus
Furchtlosigkeit stehen, in dem Verbundenheit wirklich erlebbar ist,
in dem spürbar ist: Ich bin total vernetzt, ich bin total
eingebettet in und getragen von Beziehungen und ich habe kein
Trennungsgefühl mehr, kein Gefühl mehr von „Zwischen“.
Andererseits
ist dieses trennungslose Meer natürlich auch ziemlich
furchteinflößend für uns alle und da ist es dann oft doch
vermeintlich leichter für uns, am einen Ufer des Angstflusses zu
stehen und der Person, die gegenüber steht, mit der wir verbunden
sein wollen, zuzuwinken. Früher oder später ertrinkt die Angst aber
in sich selber und Flüsse fließen ja auch immer Richtung Meer.
Der
Satz „Jenseits der Angst sind goldene Bäume gepflanzt“ bedeutet
für mich also, dass jenseits der Angst der Ort ist, an dem ich
meine Beziehungen als erfüllend erlebe. Ich muss also „nur“
den Angstfluss überqueren oder mich von der Flut mitnehmen lassen,
dann brauche ich keine glückliche Ehe und keine fünf Kinder, dann
„brauche“ ich keine Beziehungen mehr, um glücklich zu sein,
sondern dann bin ich einfach in Beziehung, bin verbunden.
Gold
ist für mich auch die Farbe der Glückseligkeit. Und eben
Glückseligkeit wirklich im Sinn von tiefem, seelischen Glück.
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