Freitag, 6. Februar 2015

Jenseits der Angst, Teil 2: Angstakkorde und Liebestöne

Jenseits der Angst sind goldene Bäume gepflanzt...

Zwei Gedanken habe ich im letzten Post schon angerissen, auf die ich heute nochmal näher eingehen will. Zum Einen, dass die Angst vor Trennung eigentlich das ist, was mich dann erst wirklich trennt und aus der Verbundenheit heraus reißt, die nämlich eigentlich immer da ist. Und zum Anderen, dass ich immer in ganz, ganz vielen Beziehungen bin und gar nicht ohne Beziehung sein kann.
Irgendwie geht es hier ja auch viel um Beziehung... natürlich! Beziehungen sind nämlich eines meiner Lieblingsthemen und mit Sicherheit das Thema, über das ich seit jeher am meisten nachdenke. Jetzt bin ich natürlich nicht seit zwanzig Jahren glücklich verheiratet und so gesehen also keine qualifizierte Eheberaterin. Zwanzig Jahre glücklich verheiratet zu sein, ist aber auch gar nicht mehr mein persönliches Ziel.
Es gab aber eine Zeit, in der das mein Ziel war, und in der ich auch dachte: Wenn ich mit 50 nicht glücklich verheiratet bin und mindestens drei Kinder habe, dann fehlt irgendwas in meinem Leben, dann hab ich nicht genug Liebe in meinem Leben, nicht genug Beziehungen, um glücklich sein zu können. Und ich hatte auch wirklich Angst oder eigentlich sogar Panik: was, wenn ich dieses Ziel nicht erreiche? Was, wenn ich ohne diese für mich so wichtigen Beziehungen bin?
Und diese Angst ist aber inzwischen zum Glück komplett weg. Inzwischen weiß ich, dass ich, egal ob ich mit 50 glücklich verheiratet bin und eine Großfamilie habe oder eine „allein stehende“ Singlefrau bin oder in einer Kommune lebe, erfüllende Beziehungen haben kann und haben werde. Weil ich eben nie ohne Beziehung bin. Ich kann gar nicht ohne Beziehung sein.
Ich kann mich natürlich getrennt und allein und isoliert fühlen und anscheinend ist das auch ein Blickwinkel, den wir – zumindest hier in Europa – auch besser beherrschen als den, der uns Verbundenheit zeigt. Mir ging es zumindest so, dass ich eine Zeit lang (eine ziemlich lange Zeit) mein Gefühl für Verbundenheit komplett verloren hatte.
Inzwischen ist es eher so, dass ich mich ernsthaft frage, ob man sich überhaupt von irgendjemandem oder irgendetwas „trennen“ kann. Ob man Beziehungen wirklich beenden kann.
Und die meisten Paare, die sich trennen, machen das auch ganz wundervoll vor... Wenn ich mir die meisten geschiedenen Ehepaare so anschaue, die angeblich ihre Beziehung zueinander beendet haben, dann denke ich mir meistens: Naja, Leute, ihr habt eigentlich sogar eine ziemlich intensive Beziehung in meinen Augen, nämlich eine intensive Wut- oder Hass- oder Kampfbeziehung... aber ihr seid jedenfalls absolut bezogen aufeinander.
Und so gesehen habe ich dann wirklich mit jedem Menschen, der ab und an in meinem Kopf auftaucht, eine Beziehung, auch wenn der Mensch seit zehn Jahren in Alaska wohnt und ich ihn seitdem nicht mehr gesehen habe. Ich habe eine Beziehung mit der Luft, die ich atme, und auch mit den Leuten, an denen ich auf der Straße vorbei laufe.
Ich bin auch der Meinung, dass, wenn sich 100 Leute in einem Raum befinden, alle diese 100 Leute miteinander reden, auch wenn sie das nicht tatsächlich verbal tun. Aber ich bin absolut überzeugt davon, dass wir alle viel, viel feiner kommunizieren, als wir bewusst wahrnehmen. Und dass wir über Energien und Schwingungen eigentlich die ganze Zeit miteinander quasseln und ganz viel Kontakt und Austausch zwischen uns allen passiert, den wir oft einfach nur nicht mitbekommen. Inzwischen hat sich meine Wahrnehmung auch so verfeinert, dass ich zumindest bei Menschen, die mir sehr nah sind, oft vorher weiß, wann ich ihnen auf der Straße begegne, weil ich einfach merke, dass sie schon vorher Kontakt aufnehmen. Also ich höre quasi das Klingeln an der Tür, bevor sie dann vor mir stehen. Oder ein bisschen ist das auch wie ein Chatfenster und ich sehe und spüre einfach, wer gerade online ist, bevor die Person mich dann anschreibt. So würde ich das beschreiben.
Deshalb glaube ich auch, dass der Satz „Ich habe keine Beziehung zu so und so“ eigentlich entweder umformuliert werden müsste zu „Ich habe eine unpersönliche Beziehung zu so und so“ oder sogar eher noch „Ich bin mir nicht bewusst darüber, dass ich eine und was für eine Beziehung ich zu so und so habe“. Aus meiner heutigen Sicht ist nämlich einfach wirklich alles auch Beziehung und ich kann das auch in der Natur und auf so vielen Ebenen immer wieder beobachten. Aber diesen Blick, der Verbundenheit sieht und nicht Trennung und der die feinen Verbindungs- und Kontaktlinien wahrnimmt, die mich mit allem um mich herum vernetzen, den musste ich wirklich erst wieder lernen.
Obwohl ich ja immer verbunden sein wollte. Und die Angst vor Trennung ja gerade meine schlimmste Angst war, wie bei wahrscheinlich vielen von uns. Die Angst vor Trennung setzt aber eben dummerweise schon den Glauben voraus, dass ich überhaupt getrennt sein kann. Also in dem Augenblick, in dem ich Angst davor habe, getrennt zu sein, verlassen oder verletzt zu werden oder jemanden zu verlieren, da habe ich das Bewusstsein dafür, dass ich ja sowieso immer verbunden bin, eigentlich schon verloren. Wenn ich sozusagen den Angstakkord spiele, dann können dazu keine Verbundenheits- oder Liebestöne erklingen, die passen da einfach nicht dazu, das ist eine ganz andere Harmonie, eine ganz andere Schwingung.
Und wenn gerade Angst in mir schwingt, dann schwingt da nicht gleichzeitig Verbundenheit oder Liebe. In spirituellen Kreisen würde man auch sagen, dass Angst eine niedrig schwingende Energie ist. Deswegen fühlt sich Angst als Gefühl auch nicht gerade gut an. Liebe wirklich als Gefühl fühlt sich meiner Meinung nach immer gut an. Unglückliche Liebe gibt’s für mich inzwischen nicht mehr. Unglückliche Beziehungen schon, aber nicht unglückliche Liebe. Wenn ich in meiner Liebesbeziehung gerade unglücklich bin, dann wahrscheinlich, weil ich gerade Angst fühle oder Trauer oder Wut oder Schmerz. Aber wenn ich Liebe fühle, dann ist das einfach immer ein ziemlich genialer Gefühlszustand.
Ein Beispiel, das es vielleicht ein bisschen verdeutlicht, ist Angst um jemanden. Angst um jemanden zu haben, den man liebt, kommt uns normal vor und ist es wahrscheinlich auch. Trotzdem sind es zwei verschiedene Gefühle und wenn das eine da ist, kommt das andere nicht mehr richtig durch. Zumindest habe ich es noch nie geschafft, gleichzeitig die Angst oder die Sorge um jemanden zu fühlen und die maßlose Freude und Begeisterung darüber, wie wundervoll dieser jemand ist. Und ob ich jemanden mit einem sorgenvollen oder liebevollen Blick anschaue, ist auch ein ziemlicher Unterschied. Da kommt auch beim anderen was ganz anderes an, da schwingt was ganz anderes zwischen uns.
Und das Eine kann nur frei fließen, wenn es nicht vom anderen überlagert wird. Ich kann nur in der Verbundenheit sein, wenn mich nicht meine Angst, meine Wut, was auch immer, da wieder raus reißen. Und Liebe als Gefühl ist für mich auch nur spürbar und erlebbar, wenn gerade kein anderes Gefühl da ist, dass irgendwie dominanter ist. Das heißt nicht, dass ich den Menschen, um den ich Angst habe, nicht wirklich liebe, aber wenn ich die Angst spüre, dann spüre ich die Angst und nicht die Liebe.
Ein Bild, das ich immer gern verwende, um das Problem mit der Angst zu beschreiben, ist, dass die Angst wie ein Fluss ist, der immer trennt. Angst reißt immer irgendwas auf und irgendwas auseinander, Angst ist immer ein „Zwischen“. Und demgegenüber würde dann das Meer aus Furchtlosigkeit stehen, in dem Verbundenheit wirklich erlebbar ist, in dem spürbar ist: Ich bin total vernetzt, ich bin total eingebettet in und getragen von Beziehungen und ich habe kein Trennungsgefühl mehr, kein Gefühl mehr von „Zwischen“.
Andererseits ist dieses trennungslose Meer natürlich auch ziemlich furchteinflößend für uns alle und da ist es dann oft doch vermeintlich leichter für uns, am einen Ufer des Angstflusses zu stehen und der Person, die gegenüber steht, mit der wir verbunden sein wollen, zuzuwinken. Früher oder später ertrinkt die Angst aber in sich selber und Flüsse fließen ja auch immer Richtung Meer.
Der Satz „Jenseits der Angst sind goldene Bäume gepflanzt“ bedeutet für mich also, dass jenseits der Angst der Ort ist, an dem ich meine Beziehungen als erfüllend erlebe. Ich muss also „nur“ den Angstfluss überqueren oder mich von der Flut mitnehmen lassen, dann brauche ich keine glückliche Ehe und keine fünf Kinder, dann „brauche“ ich keine Beziehungen mehr, um glücklich zu sein, sondern dann bin ich einfach in Beziehung, bin verbunden.
Gold ist für mich auch die Farbe der Glückseligkeit. Und eben Glückseligkeit wirklich im Sinn von tiefem, seelischen Glück. 

 

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