Mit 13 hatte
ich zwei Wünsche, die mein damaliges Umfeld ziemlich irritierten und
die ich aber trotzdem immer wieder vehement geäußert habe:
1.: Ich will
ein Leben, das auch tragisch ist.
2.: Ich will
niemals weise werden.
Gut begründen
konnte ich meine Wünsche damals nicht, obwohl ich natürlich immer
wieder in die Lage kam, sie erklären zu müssen. Was mich aber heute
vor allem an ihnen amüsiert, ist, dass mir damals offenbar völlig
entgangen ist, dass mein erster Wunsch alles andere als „unweise“
war ;-)
Das Leben hat
mich glücklicherweise beim Wort genommen und mir im Laufe der Zeit
das ein oder andere große und kleine Drama beschert, wie allen von
uns. Gejubelt habe ich über die Erfüllung meines Teenager-Wunsches
natürlich lange Zeit trotzdem nicht.
Wir sind selten
begeistert, wenn Schmerz an unsere Tür klopft. Die körperliche
Reaktion auf Schmerz ist meistens ein Verkrampfen, unsere Muskeln
spannen sich an, wir wehren uns gegen das Schmerzgefühl. Auf
emotionalen Schmerz reagieren wir mit einer ähnlichen Abwehrhaltung.
Er ist uns unerwünscht, wir verstehen nicht, warum er ausgerechnet
bei uns klopft und nicht beim Nachbarn... Wir wollen unsere Türen
verbarrikadieren, der Schmerz hat ja auch gar nichts mit uns zu tun,
er wird uns nur angetan, und die Person, die ihn zu uns geschickt
hat, ist ein Riesenarschloch. Und wenn es das Leben selbst war, dann
gilt für das Leben eben genau dasselbe.
Es ist
wahrscheinlich wirklich allen von uns schon passiert, dass wir das
Leben als ein feindliches Gegenüber erleben, das uns sowieso nur weh
tun will und uns permanent ungerecht behandelt. Manche von uns halten
ihr ganzes Leben lang an diesem Empfinden fest, was ziemlich traurig
ist in meinen Augen, zumal ich ja weiß, wie es sich anfühlt, genau
mit so einem Empfinden durchs Leben zu gehen.
Deshalb bin ich
– heute ;-) - meinem Leben wirklich dankbar, dass es mir immer mal
wieder Schmerz geschickt hat, der einfach so laut an meine Tür
gehämmert hat (wenn er sie nicht sogar eingeschlagen hat), dass ich
ihn dann schlussendlich doch herein gelassen habe.
Und was ich
jedes Mal, wenn ich die Abwehrhaltung gegen den Schmerz aufgegeben
habe, staunend feststellen konnte, war: Hoppla, du hast ja doch was
mit mir zu tun, es gibt sogar einen ziemlich guten Grund, warum du
bei mir geklopft hast und nicht beim Nachbarn, du bist nämlich
einfach mein Schmerz.
Der Schmerz
hatte immer sehr, sehr gute Gründe, warum er zu mir gekommen ist und
bei einer entspannten Tasse Tee hat er sie mir dann auch verraten:
„So und so verurteilt dich doch nur deshalb so hart, damit du
lernst, zu dir zu stehen, unabhängig vom Urteil anderer.“ Oder:
„Diesen Abgrund zeigt dir so und so nur, damit du ihn in dir selber
findest und erlösen kannst.“ Und manchmal auch ganz banal: „Der
Mensch, mit dem du dich gerade unterhalten hast, hat nur deshalb so
ekelhaft gestunken, damit du merkst, wie cool es eigentlich ist, in
deiner Haut und nicht in seiner (stinkenden) zu stecken.“ Oder
auch: „Du bist einfach deshalb so lange in dieser Situation/dieser
Beziehung geblieben, die dir nicht gut getan hat, weil du eben trotz
allem noch Verständnis für das Verhalten von so und so hattest. Und
Verständnis zu haben, ist doch eigentlich schön. Pass nur einfach
nächstes Mal besser auf dich auf. Aber jetzt ist es auch okay so.“
Schmerz ist
integrierbar. Und ihn zu integrieren, ist die einzige
Möglichkeit, ihn wirklich zu heilen. Wenn wir ihn draußen halten
wollen, wird er nicht verschwinden. Er wird immer wieder klingeln,
unser Treppenhaus besetzen und ja, am Ende vielleicht sogar unsere
Türen zertrümmern und Fenster einschlagen.
Nachdem ich
irgendwann – und das hat definitiv eine ganze Weile gedauert ;-) -
bemerkt habe, dass der Schmerz vor meiner Tür weder ein Verbrecher
noch ein Betrüger ist, sondern vielmehr ein Freund, der einfach nur
will, dass ich ihm endlich zuhöre, weil er mir etwas Wichtiges zu
sagen hat, habe ich auch aufgehört (Ausnahmen bestätigen die Regel
und passieren leider auch immer wieder ;-)) die Personen, die ihn mir
geschickt haben, in Gedanken als Arschlöcher zu betiteln. Die sind
für mich jetzt höchstens „Arschengel“ oder eben „gewalttätige
Engel“, im Grunde wundervolle Wesen, die sich einfach eine
„Gewalt-“, „Verletz-“, „Verurteil-“, „Wut-“, „Was
auch immer-“ Maske aufgesetzt haben, weil sie wissen, dass ich ohne
diese Maske nicht verstehen würde, was sie mir zu sagen haben.
Und der
Schmerz, den sie mir geschickt haben, hat sich bisher auch immer als
ein nur einfach ziemlich gut verkleidetes Geschenk entpuppt: als
Lehrer, als jemand, der Dinge anstößt und ins Rollen bringt (und
immer nur das, was auch rollen soll ;-)), er hat Bewegung in
Erstarrtes gebracht, war ein Türöffner für ganz viel Veränderung,
Wachstum, Transformation, Heilung, neue Wege... Aber das alles konnte
er mir nur zeigen, weil ich ihn angenommen habe.
Das Cover von
„Violent Angels“ zeigt deshalb auch eine von ihrer letzten
Schmerzbegegnung noch sichtbar mitgenommene Jule, die trotzdem die
Namaste-Gruß-Geste vollführt (gegenüber ihren gewalttätigen
Engeln).
Gandhi soll die
Bedeutung von Namaste einmal so wiedergegeben haben:
„Ich ehre
den Platz in dir, in dem das gesamte Universum residiert. Ich ehre
den Platz des Lichts, der Liebe, der Wahrheit, des Friedens und der
Weisheit in dir. Ich ehre den Platz in dir, wo, wenn du dort bist und
auch ich dort bin, wir beide nur noch eins sind.“
Und
wenn ich wirklich bereit bin (dauert oft ein bisschen ;-)), das zu
meinem Schmerz und den wundervollen, gewalttätigen Engeln, die ihn
gebracht haben (und oft eben auch zum Leben selber), zu sagen, dann
brauch ich mir um Heilung und Versöhnung keine Gedanken mehr zu
machen.
So
viel dazu...
Vielleicht
habt ihr ja auch den ein oder anderen gewalttätigen Engel, den ihr
noch auf einen Tee (oder bei dem Wetter eher Eis) einladen wollt?
Lots
of love,
Jule
p.s.:
Im Song erwähne ich auch den Gott Shiva... Shiva (und die Göttin
Kali!!!) stehen im Hinduismus unter anderem auch für Zerstörung
(=abschreckende Verkleidung von eigentlich cooler Veränderung) und
sind deshalb in meinen Augen die Bilderbuch-Violent-Angels :-)
Angels,
o violent angels
How sweet the voice that cuts my heart
My peace and all my sanity
A sacrifice to bring to thee
Thank you, violent angels,
Thank you, my sweetest Shiva
Thank you, you brought salvation
Thank you, for now it can die
O saint, you abusive saint
I treasure all the words I've lost
For you I fall onto my knee
Call holy all your judging me
Thank you, violent angels,
Thank you, my sweetest Shiva
Thank you, you brought salvation
Thank you, for now I can go
Don't you save me from the flames
they will purify my soul
Don't you spare me from this storm
It will take what kept me down
Angels, o violent angels
Easier now to embrace the pain
The pain came with a reason
It just said: Please listen to me
Thank you, violent angels,
Thank you, my sweetest Shiva
Thank you, you brought salvation
Thank you, for letting me fall
How sweet the voice that cuts my heart
My peace and all my sanity
A sacrifice to bring to thee
Thank you, violent angels,
Thank you, my sweetest Shiva
Thank you, you brought salvation
Thank you, for now it can die
O saint, you abusive saint
I treasure all the words I've lost
For you I fall onto my knee
Call holy all your judging me
Thank you, violent angels,
Thank you, my sweetest Shiva
Thank you, you brought salvation
Thank you, for now I can go
Don't you save me from the flames
they will purify my soul
Don't you spare me from this storm
It will take what kept me down
Angels, o violent angels
Easier now to embrace the pain
The pain came with a reason
It just said: Please listen to me
Thank you, violent angels,
Thank you, my sweetest Shiva
Thank you, you brought salvation
Thank you, for letting me fall
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