Samstag, 21. Februar 2015

Jenseits der Angst, Teil 3: Von Erdbebentänzen und Tiefseetauchen in tiefen, tiefen Abgründen

Der Sand ist einverstanden, deine Spuren zu tragen...

Als ich noch ziemlich jung war, ist mir mal aufgefallen, dass die meisten Menschen ein „vermeidendes“ Leben leben. Soll heißen: Die meisten Menschen leben so, dass sie bestimmte als negativ angesehene Sachen vermeiden, zum Beispiel Schmerz. Sie versuchen also, ihr Glück zu finden, indem sie es vermeiden, zu fallen, abzustürzen, zu tief in irgendwelche Schmerzabgründe zu schauen.
Heute finde ich das natürlich auch sehr verständlich, aber damals war ich ja noch jung und dachte mir insgeheim: „Ziemlich komisch, was ihr da macht... Zu glauben, dass das „Vermeiden“ von irgendwas einen glücklich machen könnte.“ Jung und radikal wie ich war, war ich eher fürs Bejahen und auch fürs radikale Bejahen. Ich dachte mir: „Eigentlich lebe ich doch nur richtig, wenn ich das Leben absolut bejahe und wirklich alles von ihm... auch den Schmerz, den es mir bringt, auch die Katastrophen usw.“
Wenn ich das Leben wirklich liebe, wirklich gerne lebe, wirklich mit Hingabe lebe, dann liebe ich doch auch seine dunklen Seiten? Dann will ich die doch auch sehen und spüren und erfahren und verstehen? Dann will ich doch auch die Regentage kennenlernen und nicht immer nur in der Sommersonne stehen? Dann habe ich keine Angst, mich dem Leben wirklich auszusetzen. Mich von ihm auch erschüttern und verletzen zu lassen.
Also habe ich dann mit 13 voller Überzeugung verkündet, dass ich ein Leben will, das auch tragisch ist. Meine Familie hat sich wahrscheinlich gefragt: „Oh Gott, was ist nur schief gelaufen mit dem Kind???“ Und viele andere Menschen, denen ich seither begegnet bin, meinten ebenfalls, dass sie meine Einstellung irgendwie gefährlich fänden, sehr radikal...
Und radikal ist sie natürlich auch wirklich oder zumindest einigermaßen kompromisslos. Gleichzeitig hungern wir aber alle danach, genauso geliebt zu werden, kompromisslos, bedingungslos. Jeder von uns wünscht sich, dass er seine dunkle Regentagseite in seiner Beziehung nicht verstecken und unterdrücken muss, sondern dass sie da sein darf, dass sie gesehen wird und vielleicht eben sogar als etwas Schönes. Manchmal denke ich wirklich: So, wie wir das Leben lieben, so leben wir auch die Menschen in unserem Leben.
Will ich also die Begegnung mit deinen dunklen Seiten vermeiden oder setze ich mich dir kompromisslos aus? Bin ich wirklich bereit, mich von dir erschüttern und durch rütteln und verändern zu lassen? Kann ich Hingabe leben? Bin ich mutig genug, um mit dem Erdbeben zu tanzen, in das sich das Leben und jede Beziehung einfach notwendiger Weise ab und an verwandelt?
Eine lebendige Beziehung kommt meiner Meinung nach auch wirklich nicht ohne größere Erdbeben aus. Eben weil „Nähe“ einfach immer auch heißt „Nähe zu deinen dunklen Seiten“. Wir haben alle unsere Abgründe. Und wenn ich einem anderen Menschen wirklich, wirklich nahe sein will, dann bin ich natürlich auch seinen Abgründen nah und ebenso meinen eigenen. Je näher mir jemand ist, desto besser versteht er es, mich in meine eigenen Abgründe zu schmeißen und in seine zu ziehen.
Und beim „Vermeiden“ dieser Abgründe geht aber irgendwann früher oder später einfach die Nähe verloren. Genau wie im Leben: je vermeidender ich lebe, desto weniger lebendig fühle ich mich irgendwann, desto weniger lebe ich. Alles, was ich durch Vermeidung anhäufe, ist im Grunde Angst. Durch Hingabe hingegen... klar, da häufe ich durchaus auch Schmerz an, wenn ich mich bewusst dazu entscheide, mich erschüttern zu lassen, mich auszusetzen. Aber ich bleibe nah und ich bleibe lebendig. Und Schmerz ist ja auch eigentlich nichts Schlechtes.
Zumindest habe ich das für mich inzwischen wirklich erkannt, dass ich dem Schmerz in meinem Leben so, so viel verdanke. Der Wunsch nach einem auch tragischen Leben war also gar nicht so dumm ;-)
Schmerz hat uns so viel zu sagen, weil es eben einfach auch immer unser Schmerz ist. Schmerz ist wie ein reinigendes Feuer: Wenn ich ihm zuhöre, ihn anschaue, ihn in meinem Leben erlaube, dann heilt er mich eigentlich. Er bringt mich voran, er kurbelt mein persönliches Wachstum an. Er zeigt mir, wo die Ängste und Blockaden sind, die ich noch überwinden könnte. Wenn ich ihn aussperre, vermeide, dann bewirke ich nur, dass ich mich immer mehr vor ihm fürchte... und am Ende holt er mich ja doch auch irgendwann wieder ein. Und Angst ist im Grunde einfach zerstörerischer als Schmerz, weil Angst lähmt und einfriert. Schmerz kann brennen, aber er bewegt auch, transformiert und verändert und heilt eben im Endeffekt sogar.
Ich kann auf jeden Fall nicht behaupten, dass ich meine kompromisslos-radikale-Hingabe-Einstellung bereue. Ich habe mich vielen Erfahrungen ausgesetzt, von denen wahrscheinlich einige auf den ersten Blick wirklich so aussehen, als könnte man darauf verzichten. Da waren Gewalterfahrungen dabei, fette Familienkrisen, ein paar ordentliche Abstürze... Aber im Rückblick habe ich absolut kein Empfinden von: Das hätte ich mir doch ersparen können. Oder: Darauf hätte ich wirklich verzichten können. Hätte ich nicht. Ich will auf gar keinen Fall auf irgendetwas davon verzichten, ich möchte nichts ungeschehen machen, im Gegenteil: Ich bin dankbar dafür und im Frieden damit und all diese Erfahrungen haben mich extrem bereichert, mich tiefer gemacht, mutiger, sie haben vieles in mir angestoßen und befreit und transformiert und geheilt.
Wenn ich vor den Abgründen wegrenne, dann nehme ich die Angst vor ihnen aber überallhin mit. Wenn ich mich ihnen stattdessen hingebe, ihnen aussetze, kann ich im Optimalfall lernen, in ihnen zu schwimmen, und verliere einfach die Angst vor ihnen. Und auch wenn das nicht nach dem leichteren Weg aussieht und auch kein leichter Weg ist, ist es im Endresultat der Weg, der einfach dahin führt, dass ich glücklicher, sicherer und aber immer noch nah und lebendig bin in meiner Beziehung zu einem Menschen oder zum Leben selber.
Den Erdbeben und Erschütterungen kann ich auf Dauer sowieso nicht entgehen, aber was ich schon lernen kann, ist mit ihnen zu tanzen. Und um zu tanzen, braucht man aber immer auch Mut. Jemand, der Angst hat, zu fallen oder zu stolpern, der tanzt entweder nicht frei oder sogar eher noch gar nicht. Und diese Sicherheit und tänzerische Leichtigkeit im Umgang mit Abgründen und Erdbeben, die kann man sich aber mit der Zeit wirklich erarbeiten.
Das heißt jetzt nicht, dass jeder, der noch keine Gewalterfahrung in seinem Leben gemacht hat, jetzt schnell mal nach einer suchen soll, damit er genug Abgründe kennen lernt... Irgendwo finden die Abgründe sowieso zu uns und ihr könnt getrost darauf vertrauen, dass der Abgrund, der euch gerade verfolgt, einfach auch der ist, der auf irgendeine Art für euch bestimmt ist. Er ist quasi das Schwimmbecken, in dem ihr jetzt Tiefseetauchen lernen sollt, oder das Erdbeben, das euch Tango beibringen will (das Leben ist nämlich wirklich ein genialer Tanzlehrer).
Und vielleicht ist der Abgrund, der euch gerade verfolgt, die vielen Konflikte und Streitereien in irgendeiner eurer Beziehungen oder im Gegenteil das Schweigen oder die Eintönigkeit darin. Und beides kann schon ein ziemlich tiefer Abgrund sein. Meine Erdbebentänze sind momentan auch eher noch Stolpertänze, aber von meinen größeren Stolperern, Ausrutschern und Stürzen weiß ich, dass das Schlimmste, was mir passieren kann, ist, dass ich in mich falle. Kein Fall, egal in welchen noch so tiefen und dunklen Abgrund, hat mich je woanders landen lassen als bei mir selbst. Und meistens sogar mehr bei mir selbst als davor.
So don't worry, folks :-) And dance!
Der Sand ist einverstanden, deine Spuren zu tragen... Heißt für mich also: Ich bin einverstanden, mich von dir erschüttern, von dir verändern, von dir bewegen, in deine und meine und unsere Abgründe schmeißen zu lassen. Und mein Vertrauen in dich, in uns, ins Leben hört nicht auf, wenn du mich mal verletzt. Ich werde dahin kommen, dass ich den Schmerz, den du mir zugefügt hast, irgendwann ansehen und verstehen und lieben und dankbar dafür sein kann. Ich lebe Hingabe. 

 

Freitag, 6. Februar 2015

Jenseits der Angst, Teil 2: Angstakkorde und Liebestöne

Jenseits der Angst sind goldene Bäume gepflanzt...

Zwei Gedanken habe ich im letzten Post schon angerissen, auf die ich heute nochmal näher eingehen will. Zum Einen, dass die Angst vor Trennung eigentlich das ist, was mich dann erst wirklich trennt und aus der Verbundenheit heraus reißt, die nämlich eigentlich immer da ist. Und zum Anderen, dass ich immer in ganz, ganz vielen Beziehungen bin und gar nicht ohne Beziehung sein kann.
Irgendwie geht es hier ja auch viel um Beziehung... natürlich! Beziehungen sind nämlich eines meiner Lieblingsthemen und mit Sicherheit das Thema, über das ich seit jeher am meisten nachdenke. Jetzt bin ich natürlich nicht seit zwanzig Jahren glücklich verheiratet und so gesehen also keine qualifizierte Eheberaterin. Zwanzig Jahre glücklich verheiratet zu sein, ist aber auch gar nicht mehr mein persönliches Ziel.
Es gab aber eine Zeit, in der das mein Ziel war, und in der ich auch dachte: Wenn ich mit 50 nicht glücklich verheiratet bin und mindestens drei Kinder habe, dann fehlt irgendwas in meinem Leben, dann hab ich nicht genug Liebe in meinem Leben, nicht genug Beziehungen, um glücklich sein zu können. Und ich hatte auch wirklich Angst oder eigentlich sogar Panik: was, wenn ich dieses Ziel nicht erreiche? Was, wenn ich ohne diese für mich so wichtigen Beziehungen bin?
Und diese Angst ist aber inzwischen zum Glück komplett weg. Inzwischen weiß ich, dass ich, egal ob ich mit 50 glücklich verheiratet bin und eine Großfamilie habe oder eine „allein stehende“ Singlefrau bin oder in einer Kommune lebe, erfüllende Beziehungen haben kann und haben werde. Weil ich eben nie ohne Beziehung bin. Ich kann gar nicht ohne Beziehung sein.
Ich kann mich natürlich getrennt und allein und isoliert fühlen und anscheinend ist das auch ein Blickwinkel, den wir – zumindest hier in Europa – auch besser beherrschen als den, der uns Verbundenheit zeigt. Mir ging es zumindest so, dass ich eine Zeit lang (eine ziemlich lange Zeit) mein Gefühl für Verbundenheit komplett verloren hatte.
Inzwischen ist es eher so, dass ich mich ernsthaft frage, ob man sich überhaupt von irgendjemandem oder irgendetwas „trennen“ kann. Ob man Beziehungen wirklich beenden kann.
Und die meisten Paare, die sich trennen, machen das auch ganz wundervoll vor... Wenn ich mir die meisten geschiedenen Ehepaare so anschaue, die angeblich ihre Beziehung zueinander beendet haben, dann denke ich mir meistens: Naja, Leute, ihr habt eigentlich sogar eine ziemlich intensive Beziehung in meinen Augen, nämlich eine intensive Wut- oder Hass- oder Kampfbeziehung... aber ihr seid jedenfalls absolut bezogen aufeinander.
Und so gesehen habe ich dann wirklich mit jedem Menschen, der ab und an in meinem Kopf auftaucht, eine Beziehung, auch wenn der Mensch seit zehn Jahren in Alaska wohnt und ich ihn seitdem nicht mehr gesehen habe. Ich habe eine Beziehung mit der Luft, die ich atme, und auch mit den Leuten, an denen ich auf der Straße vorbei laufe.
Ich bin auch der Meinung, dass, wenn sich 100 Leute in einem Raum befinden, alle diese 100 Leute miteinander reden, auch wenn sie das nicht tatsächlich verbal tun. Aber ich bin absolut überzeugt davon, dass wir alle viel, viel feiner kommunizieren, als wir bewusst wahrnehmen. Und dass wir über Energien und Schwingungen eigentlich die ganze Zeit miteinander quasseln und ganz viel Kontakt und Austausch zwischen uns allen passiert, den wir oft einfach nur nicht mitbekommen. Inzwischen hat sich meine Wahrnehmung auch so verfeinert, dass ich zumindest bei Menschen, die mir sehr nah sind, oft vorher weiß, wann ich ihnen auf der Straße begegne, weil ich einfach merke, dass sie schon vorher Kontakt aufnehmen. Also ich höre quasi das Klingeln an der Tür, bevor sie dann vor mir stehen. Oder ein bisschen ist das auch wie ein Chatfenster und ich sehe und spüre einfach, wer gerade online ist, bevor die Person mich dann anschreibt. So würde ich das beschreiben.
Deshalb glaube ich auch, dass der Satz „Ich habe keine Beziehung zu so und so“ eigentlich entweder umformuliert werden müsste zu „Ich habe eine unpersönliche Beziehung zu so und so“ oder sogar eher noch „Ich bin mir nicht bewusst darüber, dass ich eine und was für eine Beziehung ich zu so und so habe“. Aus meiner heutigen Sicht ist nämlich einfach wirklich alles auch Beziehung und ich kann das auch in der Natur und auf so vielen Ebenen immer wieder beobachten. Aber diesen Blick, der Verbundenheit sieht und nicht Trennung und der die feinen Verbindungs- und Kontaktlinien wahrnimmt, die mich mit allem um mich herum vernetzen, den musste ich wirklich erst wieder lernen.
Obwohl ich ja immer verbunden sein wollte. Und die Angst vor Trennung ja gerade meine schlimmste Angst war, wie bei wahrscheinlich vielen von uns. Die Angst vor Trennung setzt aber eben dummerweise schon den Glauben voraus, dass ich überhaupt getrennt sein kann. Also in dem Augenblick, in dem ich Angst davor habe, getrennt zu sein, verlassen oder verletzt zu werden oder jemanden zu verlieren, da habe ich das Bewusstsein dafür, dass ich ja sowieso immer verbunden bin, eigentlich schon verloren. Wenn ich sozusagen den Angstakkord spiele, dann können dazu keine Verbundenheits- oder Liebestöne erklingen, die passen da einfach nicht dazu, das ist eine ganz andere Harmonie, eine ganz andere Schwingung.
Und wenn gerade Angst in mir schwingt, dann schwingt da nicht gleichzeitig Verbundenheit oder Liebe. In spirituellen Kreisen würde man auch sagen, dass Angst eine niedrig schwingende Energie ist. Deswegen fühlt sich Angst als Gefühl auch nicht gerade gut an. Liebe wirklich als Gefühl fühlt sich meiner Meinung nach immer gut an. Unglückliche Liebe gibt’s für mich inzwischen nicht mehr. Unglückliche Beziehungen schon, aber nicht unglückliche Liebe. Wenn ich in meiner Liebesbeziehung gerade unglücklich bin, dann wahrscheinlich, weil ich gerade Angst fühle oder Trauer oder Wut oder Schmerz. Aber wenn ich Liebe fühle, dann ist das einfach immer ein ziemlich genialer Gefühlszustand.
Ein Beispiel, das es vielleicht ein bisschen verdeutlicht, ist Angst um jemanden. Angst um jemanden zu haben, den man liebt, kommt uns normal vor und ist es wahrscheinlich auch. Trotzdem sind es zwei verschiedene Gefühle und wenn das eine da ist, kommt das andere nicht mehr richtig durch. Zumindest habe ich es noch nie geschafft, gleichzeitig die Angst oder die Sorge um jemanden zu fühlen und die maßlose Freude und Begeisterung darüber, wie wundervoll dieser jemand ist. Und ob ich jemanden mit einem sorgenvollen oder liebevollen Blick anschaue, ist auch ein ziemlicher Unterschied. Da kommt auch beim anderen was ganz anderes an, da schwingt was ganz anderes zwischen uns.
Und das Eine kann nur frei fließen, wenn es nicht vom anderen überlagert wird. Ich kann nur in der Verbundenheit sein, wenn mich nicht meine Angst, meine Wut, was auch immer, da wieder raus reißen. Und Liebe als Gefühl ist für mich auch nur spürbar und erlebbar, wenn gerade kein anderes Gefühl da ist, dass irgendwie dominanter ist. Das heißt nicht, dass ich den Menschen, um den ich Angst habe, nicht wirklich liebe, aber wenn ich die Angst spüre, dann spüre ich die Angst und nicht die Liebe.
Ein Bild, das ich immer gern verwende, um das Problem mit der Angst zu beschreiben, ist, dass die Angst wie ein Fluss ist, der immer trennt. Angst reißt immer irgendwas auf und irgendwas auseinander, Angst ist immer ein „Zwischen“. Und demgegenüber würde dann das Meer aus Furchtlosigkeit stehen, in dem Verbundenheit wirklich erlebbar ist, in dem spürbar ist: Ich bin total vernetzt, ich bin total eingebettet in und getragen von Beziehungen und ich habe kein Trennungsgefühl mehr, kein Gefühl mehr von „Zwischen“.
Andererseits ist dieses trennungslose Meer natürlich auch ziemlich furchteinflößend für uns alle und da ist es dann oft doch vermeintlich leichter für uns, am einen Ufer des Angstflusses zu stehen und der Person, die gegenüber steht, mit der wir verbunden sein wollen, zuzuwinken. Früher oder später ertrinkt die Angst aber in sich selber und Flüsse fließen ja auch immer Richtung Meer.
Der Satz „Jenseits der Angst sind goldene Bäume gepflanzt“ bedeutet für mich also, dass jenseits der Angst der Ort ist, an dem ich meine Beziehungen als erfüllend erlebe. Ich muss also „nur“ den Angstfluss überqueren oder mich von der Flut mitnehmen lassen, dann brauche ich keine glückliche Ehe und keine fünf Kinder, dann „brauche“ ich keine Beziehungen mehr, um glücklich zu sein, sondern dann bin ich einfach in Beziehung, bin verbunden.
Gold ist für mich auch die Farbe der Glückseligkeit. Und eben Glückseligkeit wirklich im Sinn von tiefem, seelischen Glück. 

 

Dienstag, 3. Februar 2015

Jenseits der Angst, Teil 1: Der richtige Platz

Heute habe ich mal etwas ganz anderes vor als sonst. Und zwar möchte ich euch die Gedanken, Einsichten, vielleicht auch tieferen Wahrheiten verraten, die in meinem Gedicht „Jenseits der Angst“ stecken. „Jenseits der Angst“ ist mein momentaner Lieblingstext von mir, eben gerade wegen den darin versteckten Bedeutungen, die ich fein säuberlich in kryptischer Bildersprache verborgen und verschlüsselt habe.
Inspiriert wurde „Jenseits der Angst“ vor allem von einer Vision/ einem Tagtraum/ einem Bild aus meinem Unterbewusstsein (ihr dürft euch für die Variante entscheiden, mit der ihr euch am meisten wohl fühlt), aus der ich für mich die Erkenntnis gezogen habe, dass der Platz, an dem ich jetzt gerade in meiner Beziehung bin, immer genau der richtige Platz im Hier und Jetzt ist.
Und Beziehung heißt für mich nicht unbedingt partnerschaftliche Beziehung... Im Gegenteil: ich kann mich vielleicht gerade von meinem Partner als Partner getrennt haben und dann ist auch das in der Beziehung zwischen uns als Menschen oder Seelen gerade der genau richtige Platz. Auch das alte Ehepaar vorm Fernseher, das gemeinsam im Schweigen versinkt, ist gerade genau am richtigen Platz. Und auch die zwei besten Freunde, die seit drei Jahren kein Wort mehr miteinander geredet haben, sind am genau richtigen Punkt in ihrer Beziehung. Genau jetzt für den Augenblick.
Meine Vision oder meine inneren Bilder haben sich auch tatsächlich auf jemanden bezogen, mit dem ich damals im Leben nicht in Kontakt stand. Diese Person, dieser Mann führte mich in einen dunklen Wald und dort zu einem Baum, vor dem eine weiße Leiter stand. Die bin ich dann auch hoch gestiegen, habe den Arm zum Himmel gehoben, einen Lichtstrahl aufgefangen und an ihn weiter gegeben, der dann den Wald golden getanzt hat. Bis dahin also ein sehr schönes Bild, das mir mein Unterbewusstsein gemalt hat, sehr symbolisch natürlich auch, aber unbestreitbar schön.
Naja, dann hätte ich als Mensch Jule aber gerne gesehen, wie ich die Leiter verlasse und zurück auf den Boden und eben auch zu dem Mann zurückkehre. Und das Lustige und Geniale an diesen Bildern aus dem Unterbewusstsein ist aber, dass sie wirklich einen eigenen Willen und eigene Gesetze haben. Natürlich kann ich bewusst ein Bild erzeugen, das mich auf dem Boden zeigt, aber dann ploppt eben wirklich eine Viertelsekunde später wieder ein Bild von mir auf der Leiter auf, das sich dann auch nicht verscheuchen lässt.
Irgendwann hab ich das dann auch bewusst akzeptiert, dass ich von der Leiter, von dem Baum anscheinend noch nicht runter soll und genau dann (natürlich!!!) hat sich das Bild verändert. Ich habe mich zwar immer noch nicht gesehen, wie ich den Baum verlasse, aber ich konnte zum ersten Mal den Baum bewusst wahrnehmen.
Mit dem Bild davor hatte ich mich nicht richtig wohl gefühlt. Ich hatte das Gefühl gehabt, ich bin zu weit weg von dem Mann, ich hatte Angst, getrennt zu sein. Und das veränderte Bild hat mir dann aber den Baum ganz klar gezeigt, hell, eine Linde oder eine Birke und irgendwie beides gleichzeitig, alles ganz sommerlich und freundlich und frei und leicht. Der Baum hat mir vielleicht ein bisschen zu sehr geschwankt für jemanden, der nicht schwindelfrei ist ;-), aber auch daran habe ich mich gewöhnt. Und ich konnte sehen, dass ich an einem tollen Ort bin, an einem Platz, an dem ich mich wohl fühlen kann, den ich genießen kann.
Und die Message, die ich daraus gezogen habe, war zum Einen, dass ich nie wirklich getrennt bin und es nur die Angst vor Trennung ist, die überhaupt erst Trennung schafft (dazu ein anderes Mal mehr). Zum Anderen, dass eben der Ort, der Platz, an dem ich gerade bin, in meiner Beziehung (und ich bin immer in einer Beziehung, ich kann gar nicht nicht in einer Beziehung sein, dazu aber auch ein anderes Mal mehr) auch genau der richtige Ort ist, auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick überhaupt nicht so aussieht und sich auch nicht so anfühlt.
Ich war quasi ein bisschen wie die Braut, die vor lauter Angst, dass der Bräutigam sie noch kurz vor der Hochzeit verlassen könnte oder sonst noch irgendwas schief geht, das Brautkleid aussuchen und anprobieren nicht genießen kann. Und die Mädels stimmen mir bestimmt zu, dass das wirklich überaus tragisch ist ;-)
Um es mal konkret auf die Beziehungsebene zu bringen, könnte es dann zum Beispiel so aussehen, dass ich gerade in einem absolut heftigen Streit mit meinem Partner bin, bei dem Tassen durch die Gegend fliegen (oder auch nicht), und da mitten drin zu sein fühlt sich vielleicht erst Mal nicht gut an, aber auf den zweiten Blick tut es vielleicht uns beiden immens gut, mal Dampf abzulassen. Und das kann und darf ich dann auch genießen.
Ich bin auch vor allem deshalb auf die Idee gekommen, das hier heute aufzunehmen, weil ich mich selber erst vor kurzem an diese Erkenntnis erinnert hatte. Erinnert deshalb, weil ich sie (natürlich) vergessen hatte. Ich bin gerade in meinen Beziehungen an dem schönen Punkt, dass ich mich wirklich tief auf einige Menschen eingelassen habe, ich fühle mich also vielen Menschen in meinem Leben gerade sehr nah, was sehr schön ist. Und in letzter Zeit durfte ich aber auch erleben, dass Nähe oft eben auch ein Einssein im Schmerz bedeutet. So war das bei mir in letzter Zeit und ich habe da schon ein bisschen damit gehadert...
Ich habe gemerkt, dass der ganze Schmerz, der da in manchen meiner Beziehungen einfach da ist, doch wirklich viel von meiner Leichtigkeit und Lebensfreude geschluckt hat. Und ich konnte diesen Schmerzpunkt, an dem ich war, definitiv nicht als einen Punkt empfinden und sehen, an dem ich gerne bin oder freiwillig sein will.
Dann ist mir aber zum Glück bewusst geworden, dass unter dem Schmerz und so halb in den hinein gewoben einfach ganz viel Nähe ist. Je näher man jemandem ist, desto näher ist man eben auch automatisch irgendwo dessen Abgründen, Ängsten, Schmerzen, seiner Wut, seiner Traurigkeit. Ich wollte aber immer tiefe Bindungen in meinem Leben haben und die reichen dann irgendwo notgedrungen auch bis in die Schmerztiefen hinein.
Und als ich den Schmerzpunkt als einen Einssein-im-Schmerz oder einen Sich-Nah-Sein-im-Schmerz-Punkt sehen konnte, hat sich wundersamer, aber eigentlich auch gar nicht so erstaunlicher Weise viel von dem Schmerz gelöst. Weil dann eben auch einfach andere Gefühle dazu kamen: Dankbarkeit für die Nähe und die Tiefe in meinen Beziehungen, das Bewusstsein, dass ich selber diese Nähe und Tiefe und eben auch Schmerztiefe ja will... und einfach auch viel Gelassenheit, Ruhe und Vertrauen, dass der Platz, an dem ich gerade bin, eben doch der gerade genau richtige ist.
So und dann zum Abschied (für heute) das Gedicht, das ich bald auch noch mal etwas genauer für euch aufdröseln werde, da steckt nämlich noch mehr drin, aber für heute reicht's erst einmal:
Jenseits der Angst sind goldene Bäume gepflanzt
Der Sand ist einverstanden, deine Spuren zu tragen
Es gibt keinen Ort, der nicht dein ist
Und überall liebt Violett

Von der Linde werfe ich drei Tränen herab
Und höre auf, mich herunter zu fragen
Es gibt keinen Ort, der nicht du bist
Jenseits der Angst sind goldene Bäume gepflanzt